Zebra-Menschen
Manches kann man nicht sehen – es lässt sich nur fotografieren
Gute Bilder erzählen Geschichten. Es kann ein Bericht aus dem Alltag sein. Dafür braucht es keine spezielle Inszenierungen, nur ein gutes Auge – und ab und zu ein Experiment.
Die Kamera sieht anders als das Auge. Mit dem Auge «filmen» wir. Ein Film ist ein kontinuierlicher Strom an Bildern. Ein Video wird mit 24, 25 oder 30 Bildern pro Sekunde gemacht. Spielt man die ab, dann haben wir den Eindruck von Bewegung – auch wenn es sich tatsächlich nur um eine Reihe von Fotos handelt.
Ein einzelnes Foto bietet andere Möglichkeiten. Zwar handelt es sich um eine Momentaufnahme, aber diesen Moment kann man beispielsweise ausdehnen. Die Menge des Lichts kann geändert werden, die Dauer der Belichtung kann man anpassen und schliesslich kann auch die Kamera bewegt werden. Was übrigbleibt, ist jedoch immer ein einzelnes Bild – mit bestimmten Merkmalen.
Dieses Bild gehört zu einer kleinen Serie, die ich ab einer Terrasse in Tel Aviv gemacht habe. Das Ziel war es «Bewegung» einzufangen. Dazu wurde die Belichtungszeit verlängert, während Menschen sozusagen «durch das Bild» liefen.
Unerwartetes geschah: Die weissen Zebrastreifen verschmolzen mit dem Passanten. Die verlängerte Belichtung hat die weisse Farbe der Zebrastreifen verstärkt und diese traten dadurch in den Vordergrund. Das Bein, das schneller bewegte verschwand, während das stehende Bein genug lange fixiert war, um die Zebrastreifen wirksam auszublenden.
Entstanden ist ein abstraktes Foto von Bewegung. Es gibt die Situation nicht. Es huschen keine halbtransparente Menschen durch die Strassen. Was geschieht, bleibt jedoch erkennbar. Manches kann man nicht sehen – es lässt sich nur fotografieren.